Die junge Republik hat es nicht leicht, sich in den Augen der Bevölkerung als die bessere Staatsform zu behaupten. Der Versailler-Vertrag, der ein Diktat der Siegermächte ist, legt der jungen Republik ungeheuere Opfer auf, welche von ihren Gegnern nur allzugern den demokratischen Politikern angelastet werden.
Im März 1920 sehen die Rechtskräfte wieder ihre Stunde gekommen. Doch der Kapp-Putsch ist durch den entschlossenen Widerstand der Arbeiterbewegung in Berlin bald zum Scheitern verurteilt. Nur in Bayern hat der Kapp-Putsch teilweise Erfolg. Die SPD-geführte Regierung Hoffmann wird am 14. März 1920 zum Rücktritt gezwungen und durch das Regime Kahr ersetzt.
Ein besonders trauriges Kapitel dieser Jahre bilden die sogenannten Fememorde. An bekannten Politikern fallen ihnen der bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner, Reichsfinanzminister Erzberger, der Führer der USP im bayerischen Landtag Gareis und Reichsminister Rathenau zum Opfer. Auch in Dillingen sind die Auswirkungen dieser unruhigen Zeit zu spüren.
Doch noch sieht Stadt und Wirtschaft die Zeichen für eine günstige wirtschaftliche Weiterentwicklung. Der Handels- und Gewerbeverein fordert im März 1920 den bau der Lokal-Bahn Welden-Dillingen. Industrie- und Gewerbeansiedlungen werden in Angriff genommen. Bereitwillig sind Stadt und Bevölkerung tätig, um den Kriegsheimkehrern die Wiedereingleiderung zu erleichtern.
Stadt und Bevölkerung ehren am 27. März 1920 die heimkehrenden Soldaten mit einem großen Heimkehrerfest. Doch schon greift die allgemeine Teuerung auch in Dillingen immer mehr um sich; besonders die Versorgung mit Milch wird sehr schlecht.
MdL Högg, Augsburg, spricht am 29.Mai 1920 zum Thema Sozialdemokratie in Reich und Land. Die Landtagswahl am 06. Juni 1920 bringt der SPD mit ihrem Kandidaten Otto Geiselhart in Dillingen 218 Stimmen, in Schretzheim 110 Stimmen, die USPD erzielt 167 Stimmen bzw. 6 Stimmen. Ähnlich das Ergebnis der Reichstagwahl: SPD in Dillingen216 Stimmen, in Schretzheim 112 Stimmen; USP in Dillingen 11 Stimmen, in Schretzheim 5 Stimmen.
Ende Juni 1920 geht das Scheiffele'sche Sägewerk seiner Vollendung entgegen. Der Stadtrat befasst sich im Juli 1920 mit einem Antrag der Schwimmriege des Turnvereins betreffend freien Badens in der Donau. Stadtrat Kayser (SPD) setzt sich für eine Freibadanstalt ein. Bürgermeister Dr. Hertle weist dagegen auf die Missstände und Unzucht hin, die man hier leider beobachten könne. Trotzdem wird eine Freibadeanstalt für Männer beschlossen.
Mit der Bahnlinie Welden - Dillingen will es nicht so recht vorwärtsgehen. Der Stadtrat beschwert sich über "die Quertreibereien von Stadt und Stadtrat Wertingen".
Auch das gibt es im Dillingen des Jahres 1920: auf dem kleinen Exerzierplatz findet ein Pferderennen mit Flachrennen und Preisspringen statt. Am 15. März 1921 tritt Gärtnermeister Josef Bold nach dem Rücktritt von Stadtrat Kayser für die SPD in den Stadtrat ein. Im März desselben Jahres wird auch in Dillingen nach langen Debatten das 8. Knabenpflichtschuljahr eingeführt.
Die Jahre der Weimarer Republik sind gleichzeitig die Blütezeiten des sozialdemokratischen Vereinswesens, auch in unserem Landkreis. So wird am 23. Mai 1921 in der Krone in Dillingen der Arbeitergesangverein Liederlust gegründet, später auch noch der Arbeitersportverein Pfeil Dillingen.
Nach nur dreijähriger Amtszeit erklärt Bürgermeister Dr. Hertle überraschend im Juni 1922 seinen Rücktritt, obwohl ihm der Stadtrat ausdrücklich das Vertrauen ausspricht. Dr. Hertle begründet seinen spektakulären Schritt insbesondere mit Angriffen aus der Geschäftswelt und Industrie, er interessiere sich zu wenig für Handel und Gewerbe. Als sein Nachfolger wird dann am 22. Oktober 1922 Dr. Hogen gewählt, der bis 1945 im Amt bleibt.
Die Entscheidung der Firma Mengele - Günzburg, sich in Dillingen unter der Firma AG Eisenwerk Dillingen in der großen Reithalle anzusiedeln, wird vom Stadtrat freudig begrüßt.
Am 24. Juni 1922 wird Walther Rathenau, der Außenminister der jungen Republik, von Rechtsradikalen ermordet. SPD und Freie Gewerkschaft veranstalten am 27. Juni 1922 in Dillingen ein Protestkundgebung und rufen zum Schutz der Republik auf. Mit Genugtuung nehmen die Dillinger Sozialdemokraten die Wiedervereinigung von MSPD und USPD auf dem Nürnberger Parteitag vom 19.09.1922 auf.
Im Jahr 1922 beginnt die Inflation zu galoppieren. Im Oktober 1922 hat der Dollar einen Gegenwert von 3.000,- RM, Ende Dezember 1922 sogar schon einen von 8.000,- Mark. Die Entschädigung der Stadträte wird von 200,- auf 2.000,- Mark erhöht; ein Bogen Papier kostet zwischenzeitlich 22,- RM. Doch die schlimmsten wirtschaftlichen Zeiten stehen auch den Dillinger Bürgern noch bevor. Trotzdem verlieren Stadtrat und Bevölkerung nicht ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft. So wird Ende Oktober 1922 mit dem Bau einer neuen Donaubrücke begonnen (Bauzeit bis Mai 1924).
Das Jahr 1923 steht ganz im Zeichen der materiellen Not, die durch den Ruhrkampf und die galoppierende Inflation hervorgerufen wird. Während auf dem Ulrichsplatz mit einer vaterländischen Rede gegen den Einmarsch der Franzosen im Ruhrgebiet protestiert wird, tragen alle Bevölkerungsschichten zur Ruhrspende bei, selbst die Arbeiter des Eisenwerkes verzichten auf einen Stundenlohn, um den notleidenden Menschen zu helfen.
Kinder aus den besetzten Gebieten werden in Dillingen in Pflege genommen. Im Laufe des Jahres werden wegen des Generalstreiks im Ruhrgebiet die Kohlen immer knapper, so dass auch die der Personenzüge auf der Donaustrecke eingeschränkt werden muss.
Die ungenügende Versorgung der Dillinger mit Kartoffeln beschäftigt den Stadtrat; erst als einige Wochen danach ein Waggon Kartoffeln eintrifft, ist die schlimmste Not abgewendet.
Viele Dillinger versuchen, sich durch Hamstern im ländlichen Umland mit den nötigsten Lebensmitteln einzudecken, andere versorgen sich auf den Feldern auf direktem Wege selbst mit Früchten, was zur Folge hat, dass die Bauern ihre Äcker nachts bewachen.
Durch Erwerbslosigkeit, Mangelkrankheiten und Kurzarbeit verschärft sich die Situation für die ärmeren Einwohner der Stadt. Die zunehmende Inflation mit ihrer Papiergeldflut stellt die Geldinstitute und die Post vor besondere Probleme, zum Zählen und Ordnen der Geldscheine müssen zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden.
Als auch diese Geldscheine nicht mehr ausreichen, führt Dillingen städtisches Notgeld ein, und die Schwäbische Donau-Zeitung liefert gegen Naturalien. Eine eigene städtische "Hockersteuer" für die Zeit nach der Polizeistunde soll die Stadtkasse auffüllen.
Die SPD führt im Laufe des Jahres drei Ortsvereinsversammlungen durch, und der im Mai 1921 von SPD-Mitglieder gegründete Arbeitergesangverein Liedeslust beteiligt sich am Gausängertag. Am Ende des Jahres ist trotz der Rentenmark die Not groß, vor allem sind die kleinen und mittleren Rentner total verarmt.
Allmählich lässt im Laufe des Jahre 1924 die unmittelbare Not nach, daher können das Versorgungsamt und die Ortskohlenstelle aufgelöst werden, das Notgeld wird wieder eingezogen. Unterernährten Schülern wird eine Schülerspeisung gewährt, und die Caritas eröffnet eine Suppenküche.
Als gegen Ende des Ersten Weltkrieges wegen der schlechten Versorgungslage die Zwangsbewirtschaftung eingeführt wurde, wurden mit deren Durchführung auf örtlicher Ebene die Kommunalverbände beauftragt.
Zur Verbesserung der Versorgungsmöglichkeiten schließen sich auch in Dillingen Bürger in einem Konsumverein zusammen, welcher sich zur Aufgabe macht, für seine Mitglieder Nahrungsmittel zu günstigen Bedingungen zur Verfügung zu stellen (21.07.1919). Geschäftsführer wird der Sozialdemokrat Max Gutte. Der Antrag des Konsumvereins, in welchem sich im November 1919 bereits 600 Dillingen Familien zusammengeschlossen hatten, ihn in den Kommunalverband aufzunehmen, wir vom Stadtrat abgelehnt. Der Konsumverein der kleinen Leute soll offensichtlich abgeblockt werden.
Ab 01. November 1919 wird dann der Konsumverein doch mit Butter und Mehl beliefert. Die Ernährungssituation schildert Bürgermeister Dr. Hertle im November 1919 so:
Die Ernährungslage ist trostlos. Das Brot reicht kaum bis März. Die Milchablieferungen in Dillingen sind in den letzten Monaten um 40% zurückgegangen.
Erst am 29. Juli 1920 gibt die Regierung dem Kommunal-Verband den Auftrag, den Konsumverein als Großhändler anzuerkennen. Ein Antrag des Konsumvereins, eine Brotniederlage zu errichten, um das Brot unter dem Höchstpreis abzugeben, wir von der Bäckerinnung verhindert. Wie notwendig die Aktivitäten des Konsumvereins sind, ergibt sich daraus, dass 1921 die Stadt Dillingen ein städtisches Hilfswerk für Minderbemittelte ins Leben ruft, um die Not der Bevölkerungsgruppe abzumildern.
Das Jahr 1924 ist vor allem ein Wahljahr. Im April wird der Bayerische Landtag gewählt, im Mai folgt die Reichstagswahl, im Dezember muß der Stadtrat in Dillingen und erneut der Reichstag gewählt werden. Dementsprechend aktiv ist auch die Sozialdemokratische Partei: Am 31. März wird eine Wahlversammlung mit dem Reichtagsabgeordneten Schilling-Chemnitz durchgeführt, am 4. Mai spricht in Dillingen das Mitglied des Bayerischen Landtags Unterleitner und zur Dezemberwahl Hans Gasteiger.
Bei den Landtagswahlen kann sich die SPD geringfügig auf 17,2% der Stimmen steigern. Schwaben ist mit zwei sozialdemokratischen Abgeordneten (BM Ackermann, Augsburg; Högg, Augsburg) repräsentiert. Ebenfalls zwei Abgeordnete (Auer und Simon) kann der Wahlkreis Oberbayern-Schwaben in den Reichtag entsenden. Die Dillinger Wähler entscheiden sich mit etwa 10% der Stimmen für die SPD im Gegensatz zu Schretzheim, wo knapp 41% SPD wählen und damit die Bayerische Volkspartei, die sonst überall führend ist, auf den zweiten Platz verweisen.
Im Lamm-Keller findet im Juni die erste nationalsozialistische Versammlung in Dillingen statt. Die Gemeinderatswahl im Dezember zeigt wieder das übliche Bild: nur rund 10% der Wähler geben den SPD-Kandidaten ihre Stimmen.
Das Jahr klingt aus mit der Weihnachtsfeier des Deutschen Textilarbeiter-Verbandes Filiale Schretzheim (Vorstand: Alois Burghart), den die Schretzheimer Chronik bereits 1919 "sozialistisch ausgerichtet" nennt, im Lamm-Keller. Zum Gelingen des Festes trägt der Arbeitergesangsverein Liedeslust bei, und der Konsumverein stiftet zur Kinderbescherung einen Weihnachtsbaum mit hübschen Geschenken.
1925 steht nach dem Tode des sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert erneut ein Wahlkampf bevor. Am 22. März wirbt der Arbeitssekretär Max Peschel aus München in einer Versammlung für den Kandidaten der Sozialdemokraten, Braun. Dieser bekommt in Dillingen rund 12% der Stimmen gegenüber den 65% für den Kandidaten der BVP, Held.
Da aber keiner der Bewerber um das Amt des Reichspräsidenten die nötige Mehrheit bekommen hat, muss ein zweiter Wahlgang durchgeführt werden. Die Parteien der Weimarer Koalition (Zentrum, SPD, DDP) präsentieren diesmal den Zentrumspolitiker Wilhelm Marx, der dem Kandidaten der Konservativen, Paul von Hindenburg, jedoch knapp unterliegt.
Trotz einer Versammlung am Vorabend der Wahl bringt es Marx in Dillingen nur auf 34% der Stimmen. Bemerkenswert ist es jedoch, dass in dieser Versammlung am 25. April zum erstenmal zur Gründung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold aufgerufen wird. Das Reichsbanner ist als Wehrverband der zur Verteidigung der Weimarer Republik entschlossenen Parteien und Gruppen geplant und bildet später 1932 zusammen mit den freien Gewerkschaften die Eiserne Front. Besonders Sozialdemokraten arbeiten an diesen Verbänden mit.
Inzwischen häufen sich die Anzeichen einer wirtschaftlichen Besserung. Zwar werden immer noch 75 Kinder mit den Mitteln der Amerikaspende gespeist, aber die Baugenossenschaft Dillingen hat bereits 73 Mitglieder. Als Freizeitgestaltung wird der Ski-Sport eingeführt, in Dillingen zählt man 15 Skifahrer.
Da die DNVP erfolgreich die letztjährige Stadtratswahl angefochten hat, wird diese als ungültig erklärt, und die Dillinger müssen im Dezember 1925 zum siebten Mal in gut eineinhalb Jahren wählen. Erstmal stellen auch Klein- und Sozialrentner selbst Kandidaten auf. Bei relativ geringer Wahlbeteiligung verlieren die Sozialdemokraten am 12. Dezember einen Stadtratssitz.
Der politischen Beruhgung der mittleren Zwanzigerjahre folgt auch die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse. Das äußert sich in reger Bautätigkeit im Osten Dillingens, die Stadt lässt das Mittlere Tor umbauen, um es den Verkehrsverhältnissen anzupassen, die Kapuzinerstrasse wird asphaltiert, eine Damenbadeanstalt wird eingerichtet, und der Verschönerungsverein legt am Platz der alten Donaubrücke eine kleine Anlage an.
Die Zahl der Arbeitslosen geht in Dillingen bis 1928 auf 47 zurück, allerdings verzeichnet die Chronik einige Auswanderungen in die USA und nach Kanada. Schlecht geht es immer noch den Kleinrentnern, die im Dezember 1926 eine Protestversammlung durchführen, auf der Frau Dr. Renz über die Lage der Sozial- und Kleinrentner spricht. Sie verlangt dabei ein Reichsgesetz zur Versorgung, um aus der Fürsorge herauszukommen. In Dillingen werden immer noch 92 Hauptunterstützungsempfänger gezählt.
Im Januar 1926 führt die Bezirksgruppe der Donautal des Reichsbanners in Schretzheim eine Versammlung durch. Bezirksführer Lange (Dillingen) gibt die Zahl der Mitglieder mit 153 an. Der Arbeitergesangsverein feiert im Hofbräuhaus Fasching. Am reichhaltigen Programm wirken u.a. Ketterl, Ulmer, Durner sen. und jr., Scholz, Schmid und Wagner mit.
Die Wahlen des Jahres 1928 bringen der Sozialdemokratischen Partei Deutschland insgesamt erfreuliche Gewinne. In Dillingen pendelt sich der Anteil auf etwa 12% ein, während in Schretzheim mit knapp 54% die absolute Mehrheit erreicht wird. Auf einer Versammlung zur Reichstagswahl am 05. Mai spricht Major Mayer aus München. Vier SPD-Abgeordnete (Saenger, Simon, Unterleitner, Frau Weich) können den Wahlkreis Oberbayern-Schwaben im Reichstag vertreten.
Insgesamt nimmt die Zahl der SPD-Abgeordneten im Vergleich zu 1924 um 49 zu. In der Landtagswahl dieses Jahres ist die SPD der Hauptgewinner - die Stimmzahl in Bayern steigt von etwa 500.000 auf 800.000 an - und in der Bezirks-(Kreis)tagswahl (Kandidat u.a. Michael Durner aus Schretzheim) erringen die Sozialdemokraten sieben Sitze. Da man nur fünf Kandidaten aufgestellt hat, müssen noch zwei nachnominiert werden.
Bedrohliches wird aus München gemeldet, wo eine Versammlung mit Reichsaußenminister Gustav Stresemann abgebrochen werden muss, da sie von Nationalsozialisten gestört wird.
Die wirtschaftliche Not, die in den späten Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren dem Nationalsozialismus zum Durchbruch verhilft, macht sich in Dillingen nur zögernd bemerkbar. Zu Beginn des Jahres 1929 wird zu Spenden für den Krankenhausneubau aufgerufen, im Osten und Westen der Stadt werden neue Häuser errichtet, und noch im April 1930 wird neues Baugelände im Osten Dillingens erschlossen.
Der Rundfunk setzt sich allmählich durch, ein Auto von Siemens und Halske wirbt mit einem öffentlichen Radiokonzert auf der Straße. Doch schon machen Sammlungen für die Winterhilfe, der Kampf gegen die Wohnungszwangswirtschaft und die Einführung von Notsteuern wie Bürger-, Bier- und Getränkesteuer im Dezember 1930 auf die sich anbahnende Notlage aufmerksam.
Schon wirbt die Neudeutsche Jugend um Mitglieder, und die NSDAP gründet am 23. November 1930 in Dillingen eine Ortsgruppe, während es in Schretzheim erst am 29. März 1933 zu einer solchen Gründung kommt. In der Gemeinderatswahl vom 09. Dezember 1929 ist davon noch nichts zu merken gewesen. Nach dem Einbruch von 1925 können die Sozialdemokraten im Gemeindeparlament wieder zwei Mitglieder stellen.
Im Reich bringt die Wahl vom 14. September 1930 den Durchbruch für die Nationalsozialisten. Ihre Mandate steigen sensationell von 12 auf 107 an, wovon 25 Abgeordnete aus Bayern kommen.
Auch in Dillingen bereiten sich die Parteien auf diese Wahl vor. Die SPD führt im Gasthaus Linseisen in Schretzheim mit sehr guter Beteiligung eine Wahlkundgebung durch. Die Referentin Klara Weich, Reichtagsabgeordnete aus München, lockt viele Frauen an. Besonders ausführlich geht sie in ihrer Rede auf das Übel der Arbeitslosigkeit ein und fordert eine ungekürzte Aufrechterhaltung der Arbeitslosenversicherung. Sie macht dabei deutlich, dass sich die Arbeitslosigkeit nicht auf Deutschland beschränkt, sondern durch die allgemein schlechte Wirtschaftlage bedingt sei. In ihren innerpolitischen Ausführungen klagt sie vor allem die Anwendung des Notverordnungsrechtes durch den Reichspräsidenten an und bezeichnet dies als eine Art von Diktatur.
Auch die Wahlversammlung in Dillingen mit dem Redner Högg, Augsburg ist sehr gut besucht. Das Wahlergebnis kommt in Dillingen einem Erdrutsch gleich. Der Anteil der Nationalsozialisten steigt von rund 2% auf etwa 15% und übertrifft damit erstmals den der SPD. Auch die Bayerische Volkspartei muß Einbusen hinnehmen, behält aber mit etwa 58% die absolute Mehrheit, so wie in Schretzheim die SPD mit gut 51%.
Erst im Jahr 1931 treten in Dillingen gehäuft Erscheinungen auf, die zeigen, dass die Folgen der Weltwirtschaftskrise sich jetzt stark bemerkbar machen. So muss ein Aufruf erlassen werden, der im Februar und März 46 Kinder in den Genuss eines freien Mittagstisches (u.a. auch bei SPD-Stadtrat Handschuh) bringt. 33 jugendliche Arbeitslose werden der gewerblichen Fortbildungsschule als Gastschüler eingereiht.
Die Not der Arbeitslosigkeit zeigt sich auch darin, dass auf die erledigte Friedhofswärterstelle 49 und auf die freigewordene Schutzmannstelle 59 Bewerbungsgesuche eingehen. Mitte des Jahres stellt eine Statistik fest, dass knapp der hälfte der Dillinger Einwohner das amtliche Existenzminimum von 1200 Reichsmark Jahreseinkommen fehle.
Banken und Sparkassen müssen geschlossen werden, und zur Linderung der not der Arbeitslosen und alten Kleinrentner wird ein Aufruf erlassen. Nur private Fürsorge kann die schlimmste Not lindern. Die Stadt sucht das Bettlerunwesen durch den Verkauf von Fürsorgegutscheinen in geregelte Bahnen zu lenken. Aber noch können in Dillingen 65 Personenkraftwagen, 55 Krafträder, 22 Lastkraftwagen und 5 Zugmaschinen betrieben werden.
Im Norden der Altstadt führt seit kurzer Zeit die Reichsfernstrasse 16 durch Dillingen, was sicherlich in geordneteren Zeiten einen wirtschaftlichen Aufschwung bedeutet hätte. Die Stadt selbst sucht im Januar 1932 durch die Verdoppelung der Bürgersteuer und durch Kürzung der Gehälter für die Gemeindebeamten die Finanzlage zu verbessern.
Die damalige Misere nutzt die Nationalsozialistische Partei, die am 01. Februar 1932 im vollbesetzten Lamm-Keller eine Versammlung abhält, um der Bevölkerung Abhilfe zu versprechen. Tatsächlich halten viele Notleidende sie für die einzige Partei, die ihre verzweifelte Lage bessern kann. Die nun anstehende Reichspräsidentenwahl, zu der auch Hitler kandidiert, muss Aufschluss über die Volksstimmung geben.
Die Reichspräsidentenwahl muss im März und April 1932 wiederum in zwei Wahlgängen durchgeführt werden. Weit über dem Reichsdurchschnitt erringt in Dillingen Hindenburg, der gemeinsame Kandidat der bürgerlichen Parteien und der Sozialdemokraten, in beiden Wahlgängen über Dreiviertel der Stimmen, in Schretzheim sogar fast 90% (Reich: 49,6 bzw. 53 %).
Der Stimmanteil Hitlers hält sich noch in Grenzen. Mit etwa 20% (Schretzheim 10%) der Stimmen liegt er um 10 bis 15% unter dem Ergebnis im Reich. Aber es ist schon die gemeinsame Anstrengung aller demokratischer Kräfte notwendig, um Hitler von einem Staatsamt fernzuhalten.
Zur Landtagswahl am 24. April 1932 treten die Parteien wieder getrennt an. Für die schwäbische SPD kandidiert unter anderem Josef Felder, Mitglied der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, die im März 1933 gegen stärksten Widerstand mit großem Mut als einzige parlamentarische Gruppierung geschlossen das Ermächtigungsgesetz Hitlers abgelehnt hat.
In Dillingen wirbt Edith Hoereth am 18. April auf einer SPD-Wahlversammlung mit der für das damalige parlamentarische Leben typischen Fragestellung: "Praktische Arbeit oder Krawallpolitik im Landtag?". Trotzdem bringt der Wahlausgang vor allem Verluste für die Sozialdemokraten. Allein in Dillingen müssen sie mit rund 7% ein enttäuschendes Ergebnis hinnehmen, und auch in der Schretzheimer Hochburg erreichen sie mit nur 39% bei weitem nicht die guten Erfolge der vergangenen Jahre.
Das Frühjahr 1932 ist vor allem überschattet von der Arbeitslosigkeit, die zum Massenelend führt. Trotzdem zeigen sowohl der Arbeitersportverein, der sich seit dem 23. Februar Sportklub Pfeil nennt, wie auch der Gesangsverein Liedeslust erfreuliche Aktivitäten. Der Leiter des Arbeitergesangsvereins Lehrer Handschuh tritt bei der Gauversammlung des Donaugaus des Schwäbisch-Bayerischen Sängerbundes am 20. März als Gaukassier in Erscheinung, die Sänger beteiligen sich am 16. April an einem großen Wohltätigkeitskonzert aller Dillinger Gesangsvereine zugunsten der der Nothilfe Dillingen. Der damals beträchtliche Reinerlös von 625 Mark kommt den notleidenden Dillinger Bürgern zugute.
Doch all das ist in der damaligen Situation nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In der sonst so sachlichen Chronik von Dillingen von Klemens Mengele finden wir für den Juni 1932 eine resignierende Schilderung der Verhältnisse:
Der verlorene Krieg, die verbrecherische Inflation wirken sich nun verheerend auf die ehemals blühende Industrie, die Geschäfts- und Bürgerwelt und die Landwirte aus. Eine schlechte Zeit ist angebrochen. Unerhört hohe, unerschwingliche, wucherische Zinsen drücken hemmend auf die meisten Unternehmen. Unheimliche Gerüchte von bevorstehenden Zusammenbrüchen kursieren. Die Geschäfte schleppen sich mühselig durch diese Zeit. Eine Geldaufnahme um die andere muss bevorstehende Katastrophen hinausschieben. Ein Zusammenlegen der Industrieaktien allerseits. Gleichzeitig sinkt auch der Haus- und Grundwert.
Als auch der Sommer keine nennenswerte Verbesserung der Verhältnisse bringt, herrscht vielfach Verzweiflung unter den Armen, die nun von verschiedenen Dillinger Anstalten Speisungskarten ausgehändigt bekommen, damit Missbrauch ausgeschlossen wird.
Die Nationalsozialisten sehen jetzt ihre Chancen steigen. Auf ihre Forderung hin muss der neue Reichskanzler Franz von Papen den Reichstag auflösen und zum 31. Juli Neuwahlen ansetzen. Ihre Rechnung geht auf. In Dillingen wählen 614 Bürger, das sind rund 20% der zur Wahl gehenden, die NSDAP, während die SPD gegenüber der letzten Reichstagswahl rund 3% verliert unter unter 10% absinkt (304 Wähler). Rund 10% der Schretzheimer wählen NSDAP.
Im Reich zerfällt zusehends die Demokratie. In Preußen übernimmt der Reichskanzler das Amt des Reichskommissars und setzt die rechtmäßige Regierung der Weimarer Koalition unter dem SPD-Ministerpräsidenten Braun ab, auf der Strasse herrschen unter dem SA-Terror Mord und Totschlag. Ein organisierter Widerstand der Arbeiterschaft ist bei insgesamt rund 6 Millionen Arbeitslosen nicht möglich.
Verstärkt wird die Machtlosigkeit durch den Kampf der Kommunisten gegen die als "Sozialfaschisten" diffamierten Sozialdemokraten. Die Reichsregierung kann sich nur noch durch Notverordnungen Hindenburgs halten. Als von Papen die Aufhebung einer Notverordnung durch den Reichstag droht, sucht er sich durch dessen Auflösung zu retten und stürzt damit das deutsche Volk in einen erneuten Wahlkampf.
Am 6.November zeigt sich, dass die Nationalsozialisten ihren Höhepunkt bereits überschritten haben: Überall im Reich erleiden sie leichte Verluste, und auch in Dillingen geht ihr Anteil auf gut 15% zurück (in Schretzheim auf rund 10%). Die SPD kann nur geringfügig Boden gut machen und bleibt unter 10%. Hauptgewinner ist im Reich die Kommunistische Partei, die auch in Dillingen 83 Anhänger findet.
Eine demokratische Regierung lässt sich mit dem neuen Reichstag genauso wenig bilden wie mit dem bisherigen. Und da auch die wirtschaftliche Not trotz Winterhilfe und Arbeitsbeschaffungsplänen nicht wesentlich geringer wird, andererseits General von Schleicher als Reichskanzler scheitert, gibt Reichspräsident von Hindenburg seinen Wiederstand gegen Hitler auf und beruft ihn am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler.
Mit Hilfe von Notverordnungen, Terrormaßnahmen des SA und Inhaftierung politischer Gegner versucht Hitler, jeden Widerstand auszuschalten. Auf diese Weise glaubt er, in einer erneuten - der letzten noch einigermaßen freien - Reichstagswahl für seine Partei die absolute Mehrheit zu gewinnen.
Zwar erfüllt sich diese Hoffnung nicht, denn 56% aller deutschen Wähler geben nicht den Nationalsozialisten ihre Stimme. Aber Resignation und Angst vor Repressionen vermindern den Anteil der demokratischen Parteien beträchtlich. Über tausend Wähler in Dillingen, 116 in Schretzheim geben der Partei Hitlers am 05. März ihre Stimme, die SPD verliert in der Stadt Dillingen 74 Anhänger.
Die Schretzheimer Chronik stellt fest, dass zur Märzwahl kein nationalsozialistischer Wahlkampf stattgefunden habe, ...
...die politische Machtergreifung Hitlers am 30.Januar 1933 stärkte bei vielen Mut und Hoffnung. Zusammen mit den D. N. (Deutschnationalen) hat Hitler die Mehrheit des Volkes hinter sich. Nun gilt es, die Ruhe im Lande aufrechtzuerhalten und die Absicht der Gegner zu vereiteln. Die Führer des Reichsbanners und der Eisernen Front werden in Schutzhaft genommen, ihre Fahnen beschlagnahmt. Es bleibt ruhig.
Die Demokratie geht fast kampflos unter, das Terrorregime setzt sich durch.